Ferdinand Raimund
Kommentar
Pharao im Piestingtal
Aus für die Raimundspiele Gutenstein
Als Welturaufführung (als genüge es nicht, eine Uraufführung Uraufführung zu nennen) kündigt der künstlerische Leiter, Ernst Neuspiel, der den Raimundspielen nachfolgenden Festspiele Gutenstein das Musical ‹Tutanchamun› an, mit dem seine Intendanz 2008 beginnt. Und die Beschreibung des Werks auf der Web-Site lässt nicht nur Schlimmes, was den Tiefgang betrifft, befürchten (wobei solche Werbung die tatsächliche Qualität des Werks möglicherweise ja verdecken mag), sondern macht deutlich, dass die Veranstaltung in Gutenstein (mit seinem Event-Gestus, der ein Beliebigkeits-Gestus ist) mit dem Genius loci nicht nur ein kulturelles Erbe, sondern gänzlich jeden Anspruch auf Theaterkunst zugunsten einer auf Tourismus zielenden Kommerzialisierung hinter sich lässt.
Nun sind Sommerspiele nicht nur in Niederösterreich von einem touristischen Interesse nicht gänzlich abzukoppeln und auch alles andere Theater muss sein Publikum finden und es also dort abholen, wo es ist, ehe es zu seinen Reisen aufbricht, die über das Vergnügen hinaus den Widerstreit als Kommunikation nötig haben, und selbstverständlich ist es richtig und ehrenwert, sich sein Stammpublikum erhalten zu wollen. Aber dass man, wie bei der Vorstellung des Spielplans betont wurde, ein „neues und junges Publikum“ ausgerechnet mit einer in Flachmusik eingewickelten altägyptischen Schmonzette ansprechen will, also mit einer, was das Musical-Wesen betrifft, vermutlich kaum unterscheidbaren Variante des immer und überall Gleichen, klingt wie ein schlechter Scherz.
Spannender wärs, wenn die Festspiele als Raimundspiele Gutenstein das Behalten des Stammpublikums und das Ansprechen eines neuen jungen Publikums mit Raimund sich als schöne und auch große Aufgabe gestellt hätten. Denn mit dem von Ernst Wolfram Marboe inszenierten Raimund-Zyklus, der ehrenwert einer sogenannten traditionellen Aufführungspraxis verpflichtet und höchst erfolgreich war, ist das Abenteuer Ferdinand Raimund auf keinen Fall auch nur irgend erledigt: der nächste Raimund-Zyklus, würde es ihn geben, könnte modernere Interpretationen des ja nicht einfach naiven und durchaus nicht biedermeierlich-nostalgisch-gemütlichen Raimundwerkes entfalten. Womit mit modern nicht modisch (im Sinne der Beliebigkeits-Ästhetik selbsternannter Regietheater-Genies) gemeint ist, keine vermeintliche Strindbergisierung von Raimunds Komödien (die ohnedies strindbergisch genug sind) und nicht ein Radikalitätsgetue, das nur Oberflächenreize durcheinanderschüttelt, sondern eine an der genauen Stücklektüre (zumal im Zusammenhang mit der aktuell entstehenden neuen historisch-kritischen Raimund-Ausgabe) orientierte, gedankenscharfe und damit aufs Heute zielende Ästhetik, die bisher nur in Ansätzen versucht und kaum je gelungen ist. Und die dennoch das Stammpublikum zu neuen Ufern verführen und ein neues Publikum erreichen kann. Dass so etwas möglich ist, sogar in Zusammenhang mit den niederösterreichischen Sommerspielen, beweisen etwa seit nun schon 35 Jahren die Schwechater Nestroy-Spiele.
In Raimunds geliebtem Gutenstein spielts dergleichen leider nicht und gar nicht mehr Raimund. Vielmehr wird der Nil ins Piestingtal verlegt, und ein junger Pharao reift daselbst zum Manne und seinem frühen Tod entgegen, währenddessen er seine große Liebe in Gestalt seiner ihm früh angetrauten Schwester-Gattin erst verliert und dann doch findet, wie es sich gehört …
Wolfgang Palka