Ferdinand Raimund
Biographische Skizze
© Jürgen Hein
Ferdinand Raimund (eigentlich: Ferdinand Jakob Raimann), österreichischer Schauspieler und Dramatiker, geboren am 1. Juni 1790 in Wien , gestorben am 5. September 1836 an den Folgen einer Schussverletzung in Pottenstein (Niederösterreich).
Raimund war Sohn eines Handwerkers, brach eine Bäckerlehre ab und schloss sich ab 1808 verschiedenen Theatergesellschaften an, die vornehmlich in Ungarn spielten. 1814 erhielt er ein Engagement am Theater in der Josefstadt in Wien, 1817 am Theater in der Leopoldstadt, das als das eigentliche Volkstheater Wiens galt. Dort schloß er 1817 einen Vertrag für zehn Jahre ab und war als Schauspieler, Regisseur und Stückeschreiber tätig, 182830 auch als Direktor. Danach ging er kein festes Engagement mehr ein, sondern gab Gastspiele, u.a. in München, Hamburg, Prag und Berlin. 1834 erwarb er ein Landhaus bei Gutenstein/Pernitz (Niederösterreich), wo er sich häufig mit seiner „lebenslangen Verlobten“ Antonia Wagner aufhielt. Kurze Zeit war er mit der Tochter Luise des Volksdramatikers Joseph Alois Gleich verheiratet.
Raimunds Liebesaffären und seine Vorstellung von der idealen Liebe prägten ebenso in starkem Maß die Fabeln seiner Stücke wie seine Hypochondrie und der Ehrgeiz, eigentlich zum „Tragiker“ geboren zu sein. 1836 wurde Raimund in Gutenstein von seinem Hund gebissen. Aus Angst vor Tollwut reiste er nach Wien, unterwegs in Pottenstein schoss er sich eine Kugel in den Kopf und starb sechs Tage später.
Raimund trat in über 170 Rollen auf, schrieb acht Stücke und einige Gedichte. Mit wenigstens dreien seiner Stücke Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär (Uraufführung 1826), Der Alpenkönig und der Menschenfeind (Uraufführung 1828), Der Verschwender (Uraufführung 1834) erreichte er, anders als seine Vorgänger Karl Bäuerle, Adolf Meisl und Joseph Alois Gleich, die zusammen fast 500 Stücke schrieben, die Nachwelt.
Raimund gilt zusammen mit Johann Nepomuk Nestroy als Hauptvertreter des Wiener Volkstheaters und der österreichischen Literatur des Biedermeier und Vormärz neben Franz Grillparzer, der Raimunds „großes Talent“ schätzte.
Schon in den beiden ersten Stücken, Der Barometermacher auf der Zauberinsel (1823) und Der Diamant des Geisterkönigs (1824) obwohl noch ganz in der Tradition des Zauberspiels und des Besserungsstücks geschrieben legte Raimund mit der Demonstration des Sieges des Guten über das Böse seine weltanschauliche Grundposition fest, die in den weiteren Stücken zur Entfaltung des Zufriedenheitsideals und zur Harmonisierung der Gegensätze in einer an sich guten Welt gelangt. Diesen Intentionen entspricht das Prinzip der Stilmischung von Ernst und Komik, Wort und Bild, Vers und Prosa, Hochsprache und Dialekt, Lokalem und Universalem, Zauberwelt und Realität. Raimund prägte eine für das Volkstheater neue und richtungweisende Dramatik, die das im Entstehen begriffene Volksstück nachhaltig beeinflußte. Der sogenannten Lokalkomik fügte er neue Farben hinzu.
Weniger Glück bei den Zeitgenossen hatte Raimund mit den Versuchen im ernsten Genre: Die gefesselte Phantasie (1828, UA 1830), Moisasurs Zauberfluch (1827) und Die unheilbringende Zauberkrone (1829). Raimund strebte danach, „Tragiker“ zu sein und nicht nur für das Volkstheater zu schreiben; die Rezeption hat ihn zum Volksdramatiker gemacht. Dennoch verklären seine Stücke nicht die zeitgenössische Wirklichkeit; hinter der biedermeierlichen und harmonisierenden Märchenwelt wird immer wieder die soziale Realität sichtbar: Im Alpenkönig und Menschenfeind ebenso wie im Mädchen aus der Feenwelt und im Verschwender. Die komischen Volksfiguren kommentieren insbesondere in den Liedern diese Realität und stellen eine Verbindung mit dem Publikum her.
Raimunds Stücke sind große szenische Sinnbilder vom Glück in einer geordneten Welt mit utopischen Ausblicken in ein höheres Reich der Liebe und Freiheit. Raimund prägte eine für das auf die Lachfunktion reduzierte Volkstheater andere und richtungweisende Dramatik, in der die komischen Volksfiguren neue Rollen übernehmen. Der Einfluss seines verfremdenden Märchentheaters als Utopie und Spiegel der Wirklichkeit ist für die weitere Entwicklung des Volksstücks und der Dramatik im 20. Jahrhundert unbestritten.